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Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 15. Juni 2017, 00:09
von Flossensauger
Ganz frischer Tipp von drüben, bitte viel Zeit mitbringen: http://www.newyorker.com/magazine/2017/06/19/the-persistence-of-prog-rock

Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 2. Juni 2018, 16:00
von Highman
Den Prog begeisterten kann man dieses kleinöd ans Herz legen:

Rikard Sjöblom's Gungfly: On Her Journey To The Sun / 2-CD
Bild
https://www.musik-sammler.de/media/1276628/

https://www.youtube.com/watch?v=AXIL75HtKbQ

https://www.youtube.com/watch?v=dMdxu9FHKFA

Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 29. Januar 2019, 23:20
von Pavlos
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ANYONE'S DAUGHTER - Anyone's Daughter (Deutschland, 1980)

Nachdem die Stuttgarter sich auf ihrem Debüt "Adonis" noch stark an ihren Vorbildern Genesis und deren Märchen-Prog orientierten, schwebte ihnen für ihr zweites Album "Anyone's Daughter" ein eigenständigeres, kompositorisch deutlich variableres Album vor, welches nicht nach den damals noch gängigen Prog-Klischees der 70er klingen sollte. Zwar waren vereinzelt noch ausufernde Instrumentalpassagen zu hören (wie man im unten geposteten Track sehr schön nachhören kann), aber der Großteil der Scheibe war im Vergleich zum Debüt deutlich kompakter und much more to the point arrangiert.

Mit dem Vierminüter "Moria" hatte man sogar so' ne Art Radio-Hit fabriziert zu dem es eine kleine Geschichte zu erzählen gibt: Als Keyboarder Matthias Ulmer, der mit den Kanadiern Sacred Blade nichts zu tun hat, dem Rest der Jungs die eingängige Hauptmelodie vorspielte, fanden diese sie aufgrund ihrer simplen Struktur und des eingängigen Charakters megapeinlich, und weigerten sich vehement, sie aufnehmen. Letztendlich taten sie es dann aber doch, und der Track landete 1980 auf Platz Zwei der SDR3 Jahreshitparade.

Trotz dieser Kurskorrektur, schaffte es die Band aber immer noch, ihren Liedern ausreichend schwelgerische Momente zu verpassen, und so schafften es Anyone's Daughter, die alten Fans zu halten, aber auch neue Hörer dazuzugewinnen.


Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 30. Januar 2019, 00:37
von Acrylator
Pavlos hat geschrieben:Bild

ANYONE'S DAUGHTER - Anyone's Daughter (Deutschland, 1980)

Nachdem die Stuttgarter sich auf ihrem Debüt "Adonis" noch stark an ihren Vorbildern Genesis und deren Märchen-Prog orientierten, schwebte ihnen für ihr zweites Album "Anyone's Daughter" ein eigenständigeres, kompositorisch deutlich variableres Album vor, welches nicht nach den damals noch gängigen Prog-Klischees der 70er klingen sollte. Zwar waren vereinzelt noch ausufernde Instrumentalpassagen zu hören (wie man im unten geposteten Track sehr schön nachhören kann), aber der Großteil der Scheibe war im Vergleich zum Debüt deutlich kompakter und much more to the point arrangiert.

Mit dem Vierminüter "Moria" hatte man sogar so' ne Art Radio-Hit fabriziert zu dem es eine kleine Geschichte zu erzählen gibt: Als Keyboarder Matthias Ulmer, der mit den Kanadiern Sacred Blade nichts zu tun hat, dem Rest der Jungs die eingängige Hauptmelodie vorspielte, fanden diese sie aufgrund ihrer simplen Struktur und des eingängigen Charakters megapeinlich, und weigerten sich vehement, sie aufnehmen. Letztendlich taten sie es dann aber doch, und der Track landete 1980 auf Platz Zwei der SDR3 Jahreshitparade.

Trotz dieser Kurskorrektur, schaffte es die Band aber immer noch, ihren Liedern ausreichend schwelgerische Momente zu verpassen, und so schafften es Anyone's Daughter, die alten Fans zu halten, aber auch neue Hörer dazuzugewinnen.


Bin ja eigentlich gar nicht so der Pop-Fan, aber "Moria" mag ich auch! (Den Rest der Scheibe ebenfalls - auch wenn das Cover wie von einem Kinderbuch gestohlen aussieht...)

Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 8. März 2020, 12:35
von Pavlos
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Out Of Focus - Out Of Focus (Deutschland, 1971)

Die Münchner Formation Out Of Focus veröffentlichte zwischen 1970 und 1972 drei Platten, die einen spannenden Mix aus Psych, Blues und Folk boten. Zwar war man noch bis Ende der Dekade aktiv und nahm sogar ein viertes Album auf (welches erst 1999 veröffentlicht wurde), aber diese drei Scheiben, die übrigens alle auf dem Kuckuck Kultlabel erschienen sind, waren leider der einzige Output der Band. Leider deshalb, weil ich Out Of Focus zu den interessantesten Truppen des Krautrock zähle, die Truppe sich im Laufe ihrer Platten immer mehr vom Hard Prog hin zum softeren Jazz Prog wandte und ich diese Metamorphose gerne weiterverfolgt hätte. Hier soll es nun um Album Nummer Zwei gehen, welches stilistisch noch eingermaßen ausgeglichen daherkommt und deshalb wunderbar in diesen Thread passt.

Während auf den drei Stücken der ersten Seite hart jazzig gerockt wird und die Band für 1971 manchmal einen recht harten Sound auffährt, hat es mir gerade die zweite Seite mit ihrer deutlich softeren und folkig-verträumten Ausrichtung angetan. Hier werden Tempo und Aggression zurückgefahren und Sänger M.Neumüller greift hier und da auch mal zu Saxophon und/oder Flöte, was den Nummern nochmal eine weitere Dimension verleiht. Im Zusammenspiel mit der dominanten Orgel (H. Hering, später bei Sahara aktiv) und den unter die Haut gehenden Gänsehaut-Soli von Gitarrist R.Drechsler ergibt das ein wohl tempariertes Suhlbecken für Kraut-Fans. Als Beispiel sei einer der schönsten deutschen Tracks aus den 70ern, das wunderschöne Fly Bird Fly genannt.

Nochmal kurz zu den Vocals bzw. den Lyrics. Wie viele andere deutschen Scheiben jener Ära, so "krankt" auch diese Platte an dem recht kraftlosen Gesang. Es wird (nicht immer, aber doch recht oft) mehr erzählt, denn gesungen. Was widerum zu den erstaunlich sozialkritischen und bezogen auf das Hier und Jetzt prophetischen Texten des Albums passt. "What can a poor boy do but to be a streetfighting man? Because we all know the people we're working for earn a thousand times more" oder "I see millions of people are paranoid, I see blind eyes and deaf ears, I see politicians never saying the truth, I see people dying, I see soldiers fighting....and I see that all this is important for the economy", hier bekommt jeder sein Fett ab.

Eine erstaunliche Platte, in allen Belangen.


Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 8. März 2020, 19:58
von Flossensauger
Möchte jemand einen Stapel "eclipsed" Hefte zum KIT mitgebracht bekommen?

Habe eine komplett Sammlung (und noch zwei weitere Progzinereihen) geschenkt bekommen und kann meine letzten Jahrgänge abgeben. Einfach bei meinem Bauchladen vorbeischauen, wenn's denn überhaupt stattfindet.

Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 8. März 2020, 22:10
von Metalfranze
Pavlos hat geschrieben:Bild

Out Of Focus - Out Of Focus (Deutschland, 1971)

Die Münchner Formation Out Of Focus veröffentlichte zwischen 1970 und 1972 drei Platten, die einen spannenden Mix aus Psych, Blues und Folk boten. Zwar war man noch bis Ende der Dekade aktiv und nahm sogar ein viertes Album auf (welches erst 1999 veröffentlicht wurde), aber diese drei Scheiben, die übrigens alle auf dem Kuckuck Kultlabel erschienen sind, waren leider der einzige Output der Band. Leider deshalb, weil ich Out Of Focus zu den interessantesten Truppen des Krautrock zähle, die Truppe sich im Laufe ihrer Platten immer mehr vom Hard Prog hin zum softeren Jazz Prog wandte und ich diese Metamorphose gerne weiterverfolgt hätte. Hier soll es nun um Album Nummer Zwei gehen, welches stilistisch noch eingermaßen ausgeglichen daherkommt und deshalb wunderbar in diesen Thread passt.

Während auf den drei Stücken der ersten Seite hart jazzig gerockt wird und die Band für 1971 manchmal einen recht harten Sound auffährt, hat es mir gerade die zweite Seite mit ihrer deutlich softeren und folkig-verträumten Ausrichtung angetan. Hier werden Tempo und Aggression zurückgefahren und Sänger M.Neumüller greift hier und da auch mal zu Saxophon und/oder Flöte, was den Nummern nochmal eine weitere Dimension verleiht. Im Zusammenspiel mit der dominanten Orgel (H. Hering, später bei Sahara aktiv) und den unter die Haut gehenden Gänsehaut-Soli von Gitarrist R.Drechsler ergibt das ein wohl tempariertes Suhlbecken für Kraut-Fans. Als Beispiel sei einer der schönsten deutschen Tracks aus den 70ern, das wunderschöne Fly Bird Fly genannt.

Nochmal kurz zu den Vocals bzw. den Lyrics. Wie viele andere deutschen Scheiben jener Ära, so "krankt" auch diese Platte an dem recht kraftlosen Gesang. Es wird (nicht immer, aber doch recht oft) mehr erzählt, denn gesungen. Was widerum zu den erstaunlich sozialkritischen und bezogen auf das Hier und Jetzt prophetischen Texten des Albums passt. "What can a poor boy do but to be a streetfighting man? Because we all know the people we're working for earn a thousand times more" oder "I see millions of people are paranoid, I see blind eyes and deaf ears, I see politicians never saying the truth, I see people dying, I see soldiers fighting....and I see that all this is important for the economy", hier bekommt jeder sein Fett ab.

Eine erstaunliche Platte, in allen Belangen.


Großartiger Song, im Video wunderbar bebildert, Danke Pavlos!

Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 6. April 2020, 13:56
von lewstherin
Nachdem weiter oben der Zweitling vorgestellt wurde, möchte ich hier ein paar Worte über Anyone's Daughters Erstling, Adonis, verlieren, den ich ja über das 70s Wichteln kennengelernt habe.

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ANYONE'S DAUGHTER - Adonis (Deutschland 1979)

I Weep for Adonais, he is dead!
Oh, weep for Adonais! Though our tears
Thaw not the frost which binds so dear a head

Neben meinem Bedürfnis, meiner Liebe zu diesem Album Ausdruck zu verleihen, leitet mich auch ein Gedanke der Transparenz. In meiner LP, Wiederveröffentlichung von 2014 (leider auch mit dem anderen Cover), steht allerlei Interessantes über Bandgeschichte und Entstehung des Albums, sowie, dass ein Freund der Band, Konrad Becker, verantwortlich für den Text, seine Gedanken und Gefühle in die mythologische Figur des Adonis hineinprojiziert hat.

Wie ich allerdings beim Studium der Texte, und Recherche über gewisse Phrasen herausgefunden habe, ist Adonis eine Verarbeitung eines Gedichts von Percy B. Shelley: Adonais. Bald habe ich mir einen Sammelband der großen englischen Dichter der Romantik gekauft, in dem auch dieses enthalten ist.

Mit Adonais verarbeitet Shelley den Tod seines Freundes und Kollegen Jon Keats, (nicht nur) seiner Ansicht nach der reinste Dichter der Romantik, doch fragil und verletzlich, und der harschen Kritik an seinem Werk nicht gewachsen, was Shelley mitverantwortlich macht für Keats‘ frühen Tod an Tuberkulose.

Dass Anyone’s Daughter die deutsche Variante Adonis wählten, schreibe ich einfach mal der erhöhten Zugänglichkeit für deutsches Publikum zu, wer weiß ob ich da richtig liege. Jedenfalls erleichtert es für mich hier die Unterscheidung.

Ich bin gerade dabei, die Textbausteine von Adonis den Versen von Adonais zuzuordnen. Lange bin ich noch nicht so weit, das Gedicht zu begreifen, englische Poesie stellt für mich eine Herausforderung dar, und tatsächlich wirkt der Text von Adonis für mich mittlerweile zusammengestückelt. Nicht leugnen kann ich aber, dass der lyrische Hintergrund bereits jetzt meine Bindung zur Musik intensiviert, der ich mich fortan widmen möchte.

Denn lange, gerechnet in Umdrehungen, bevor ich mich mit Shelley beschäftigt habe, bin ich Anyone’s Daughter schon verfallen. Adonis, der Titeltrack, viergeteilt, füllt die ganze A-Seite aus:

    Part I: Come Away: Eine Einladung und Einführung in die Welt, die musikalisch heraufbeschworen wird. Alle Trademarks sind bereits zu finden: Ein Klangteppich zum Wohlfühlen, immer wieder wundervolle Leadgitarren, ein konsistentes sowie abwechslungsreiches Songwriting, das, ohne viertelübergreifende Wiederholungen zu benötigen, Adonis als Ganzes begreifen lässt.
    Part II: The Disguise: Kurz, nach vorne marschierend, hier tut sich besonders das starke, manchmal etwas hektisch anmutende, Drumming hervor.
    Part III: Adonis: Das Herzstück, zauberhafte Melodien, ich muss es noch einmal hervorheben. Schließlich etwas eskalative Synth-Geilerei, ohne entspannt zielgerichtete Songwriting zu stören.
    Part IV: Epitaph: Noch einmal wird große Melancholie geweckt, hier findet Adonis sein sanftes Ende.

I am borne darkly, fearfully, afar
Whilst, burning through the inmost veil of Heaven,
The soul of Adonais, like a star,
Beacons from the abode where the Eternal are

Wie kann eine B-Seite nicht verblassen gegen dieses Meisterwerk? Und doch, sie bietet den richtigen Kontrast, ohne sich dem Klangbild zu entfremden. Blue House ist ein gänzlich entspanntes Instrumentalstück, das sich auf das Haus bezieht, das Anyone’s Daughter damals gemeinschaftlich bezogen (scnr).

Und während ein Freund, dem ich Adonis zeigte, meint, dass Adonis auf ihn, wie klassische Musik, durchkomponiert wirke, bin ich davon überzeugt, dass ein Lied wie Blue House nur beim unvoreingenommenen gemeinschaftlichen Musizieren entstehen kann, und nur so funktionieren kann. Es weckt in mir Sehnsucht nach der Idylle, Teil einer funktionierenden Band zu sein, eine Vorstellung, die die Realität natürlich nie erfüllt.

Sally ist dann ein kleines feines poprockiges Lied, das für mich hier Sinn macht, aber niemals an die anderen Stücke heranreichen kann. Beschlossen wird das Album mit dem bandeigenen Signature-Song, dem Highlight der B-Seite, Anyone’s Daughter! Hier wird wieder auf Adonis-Niveau musiziert, fantastisch!

Und damit möchte ich meinen Sermon auch beenden. Für mich ist Adonis zu einem wichtigen Album geworden, und als Draufgabe der Anlass gewesen, mich auf englische Dichtung einzulassen, mit der man als Metal-Fan ja immer wieder Berührungspunkte hat.

Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 6. April 2020, 16:03
von Pavlos
Sehr schöner Beitrag!!

<3

Ich finde, dass diese tolle Band viel zu oft unerwähnt bleibt, wenn es um hervorragend gemachten 70er (aber auch 80er) Prog aus Deutschland geht. Allein schon der wunderbare Titeltrack des Debüts rechtfertigt einen Platz in einer solchen Auflistung. Märchen-Prog geht nicht viel besser, und auch wenn das natürlich alles von den great old ones des Genres beeinflusst wurde, müssen sich die Stuttgarter nicht vor eben jenen verstecken...

Unbedingt auch Piktors Verwandlungen (1981) anhören, auf dem ein 1925 veröffentlichtes Märchen von Hermann Hesse in einem einzigen langen Stück vertont wurde. Hier verschmelzen Musik und Texte zu einem intensiven Erlebnis, das man sicherlich auch wunderbar auseinanderanalysieren und wieder zusammensetzen kann. Nerds, this is a call to arms!!

Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 14. Juni 2020, 10:57
von lewstherin
Pavlos hat geschrieben:Sehr schöner Beitrag!!

<3

Ich finde, dass diese tolle Band viel zu oft unerwähnt bleibt, wenn es um hervorragend gemachten 70er (aber auch 80er) Prog aus Deutschland geht. Allein schon der wunderbare Titeltrack des Debüts rechtfertigt einen Platz in einer solchen Auflistung. Märchen-Prog geht nicht viel besser, und auch wenn das natürlich alles von den great old ones des Genres beeinflusst wurde, müssen sich die Stuttgarter nicht vor eben jenen verstecken...

Unbedingt auch Piktors Verwandlungen (1981) anhören, auf dem ein 1925 veröffentlichtes Märchen von Hermann Hesse in einem einzigen langen Stück vertont wurde. Hier verschmelzen Musik und Texte zu einem intensiven Erlebnis, das man sicherlich auch wunderbar auseinanderanalysieren und wieder zusammensetzen kann. Nerds, this is a call to arms!!

Danke Pavlos!

Ich dachte, ich antworte dir, sobald ich Piktors Verwandlungen, die ich kurz zuvor gekauft hatte, ein bisschen öfter gehört habe, aber ich konnte mich kaum durchringen, sie aufzulegen. Das Konzept aus Instrumentalpassagen (die wieder toll sind) und Märchenerzählung ist total ambitioniert, aber wann bin ich schon in der Laune dafür? So ist die Zeit vergangen...

Also für mich bisher:
Adonis: Gottalbum!
Anyone's Daughter: Die poppige Ausrichtung liegt mir etwas weniger als der Prog vom Debüt, aber die lief hier zuletzt auch sehr oft, einfach wirklich schöne Musik!
Piktors Verwandlungen: Ein wirkliches Urteil steht noch aus, aber auf jeden Fall spannend und (für mich) schwer zugänglich.

Und nun die wichtigste Frage: Wie ist "In Blau"?

Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 14. Juni 2020, 14:48
von Mirco
lewstherin hat geschrieben:Nachdem weiter oben der Zweitling vorgestellt wurde, möchte ich hier ein paar Worte über Anyone's Daughters Erstling, Adonis, verlieren, den ich ja über das 70s Wichteln kennengelernt habe.

Bild
ANYONE'S DAUGHTER - Adonis (Deutschland 1979)

I Weep for Adonais, he is dead!
Oh, weep for Adonais! Though our tears
Thaw not the frost which binds so dear a head

Neben meinem Bedürfnis, meiner Liebe zu diesem Album Ausdruck zu verleihen, leitet mich auch ein Gedanke der Transparenz. In meiner LP, Wiederveröffentlichung von 2014 (leider auch mit dem anderen Cover), steht allerlei Interessantes über Bandgeschichte und Entstehung des Albums, sowie, dass ein Freund der Band, Konrad Becker, verantwortlich für den Text, seine Gedanken und Gefühle in die mythologische Figur des Adonis hineinprojiziert hat.

Wie ich allerdings beim Studium der Texte, und Recherche über gewisse Phrasen herausgefunden habe, ist Adonis eine Verarbeitung eines Gedichts von Percy B. Shelley: Adonais. Bald habe ich mir einen Sammelband der großen englischen Dichter der Romantik gekauft, in dem auch dieses enthalten ist.

Mit Adonais verarbeitet Shelley den Tod seines Freundes und Kollegen Jon Keats, (nicht nur) seiner Ansicht nach der reinste Dichter der Romantik, doch fragil und verletzlich, und der harschen Kritik an seinem Werk nicht gewachsen, was Shelley mitverantwortlich macht für Keats‘ frühen Tod an Tuberkulose.

Dass Anyone’s Daughter die deutsche Variante Adonis wählten, schreibe ich einfach mal der erhöhten Zugänglichkeit für deutsches Publikum zu, wer weiß ob ich da richtig liege. Jedenfalls erleichtert es für mich hier die Unterscheidung.

Ich bin gerade dabei, die Textbausteine von Adonis den Versen von Adonais zuzuordnen. Lange bin ich noch nicht so weit, das Gedicht zu begreifen, englische Poesie stellt für mich eine Herausforderung dar, und tatsächlich wirkt der Text von Adonis für mich mittlerweile zusammengestückelt. Nicht leugnen kann ich aber, dass der lyrische Hintergrund bereits jetzt meine Bindung zur Musik intensiviert, der ich mich fortan widmen möchte.

Denn lange, gerechnet in Umdrehungen, bevor ich mich mit Shelley beschäftigt habe, bin ich Anyone’s Daughter schon verfallen. Adonis, der Titeltrack, viergeteilt, füllt die ganze A-Seite aus:

    Part I: Come Away: Eine Einladung und Einführung in die Welt, die musikalisch heraufbeschworen wird. Alle Trademarks sind bereits zu finden: Ein Klangteppich zum Wohlfühlen, immer wieder wundervolle Leadgitarren, ein konsistentes sowie abwechslungsreiches Songwriting, das, ohne viertelübergreifende Wiederholungen zu benötigen, Adonis als Ganzes begreifen lässt.
    Part II: The Disguise: Kurz, nach vorne marschierend, hier tut sich besonders das starke, manchmal etwas hektisch anmutende, Drumming hervor.
    Part III: Adonis: Das Herzstück, zauberhafte Melodien, ich muss es noch einmal hervorheben. Schließlich etwas eskalative Synth-Geilerei, ohne entspannt zielgerichtete Songwriting zu stören.
    Part IV: Epitaph: Noch einmal wird große Melancholie geweckt, hier findet Adonis sein sanftes Ende.

I am borne darkly, fearfully, afar
Whilst, burning through the inmost veil of Heaven,
The soul of Adonais, like a star,
Beacons from the abode where the Eternal are

Wie kann eine B-Seite nicht verblassen gegen dieses Meisterwerk? Und doch, sie bietet den richtigen Kontrast, ohne sich dem Klangbild zu entfremden. Blue House ist ein gänzlich entspanntes Instrumentalstück, das sich auf das Haus bezieht, das Anyone’s Daughter damals gemeinschaftlich bezogen (scnr).

Und während ein Freund, dem ich Adonis zeigte, meint, dass Adonis auf ihn, wie klassische Musik, durchkomponiert wirke, bin ich davon überzeugt, dass ein Lied wie Blue House nur beim unvoreingenommenen gemeinschaftlichen Musizieren entstehen kann, und nur so funktionieren kann. Es weckt in mir Sehnsucht nach der Idylle, Teil einer funktionierenden Band zu sein, eine Vorstellung, die die Realität natürlich nie erfüllt.

Sally ist dann ein kleines feines poprockiges Lied, das für mich hier Sinn macht, aber niemals an die anderen Stücke heranreichen kann. Beschlossen wird das Album mit dem bandeigenen Signature-Song, dem Highlight der B-Seite, Anyone’s Daughter! Hier wird wieder auf Adonis-Niveau musiziert, fantastisch!

Und damit möchte ich meinen Sermon auch beenden. Für mich ist Adonis zu einem wichtigen Album geworden, und als Draufgabe der Anlass gewesen, mich auf englische Dichtung einzulassen, mit der man als Metal-Fan ja immer wieder Berührungspunkte hat.


Sehr hochwertiger Beitrag, vielen Dank dafür!

Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 15. Juni 2020, 22:31
von Pavlos
lewstherin hat geschrieben:Und nun die wichtigste Frage: Wie ist "In Blau"?


Anders. Aber das gilt ja irgendwie für alle fünf Bandklassiker.

Sie behalten hier den deutschen Gesang bei, klingen stellenweise relativ straight wie auf der selbstbetitelten 1980er Scheibe, haben aber wieder deutlich mehr ausschweifende Passagen am Start. Highlight ist das fünfzehnminütige Tanz und Tod, das gefühlvolle Gitarrenspiel, die super ausgearbeiteten Chorgesänge, sowie generell die Lyrics der Platte. EIne wundervolle Scheibe, wie sie Anfang der 80er nur in Germany erschaffen werden konnte, die hat dieses ganz spezielle Feeling inne, da hört man sofort wo sie herkommt. I love it!!

Ich lese immer wieder, dass viele Menschen, darunter die AD Musiker selbst, In Blau als den Höhepunkt der Band ansehen. Dem würde ich nicht widersprechen wollen...

Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 19. Juni 2020, 22:46
von Flossensauger
Das ist ja alles ganz nett hier, aber darf ich mal beizeiten an Gentle Giant erinnern?



Das ist übrigens live, was die da machen. Nur mal so zur Anregung.

Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 20. Juni 2020, 14:47
von lewstherin
Danke Mirco!
Pavlos hat geschrieben:
lewstherin hat geschrieben:Und nun die wichtigste Frage: Wie ist "In Blau"?


Anders. Aber das gilt ja irgendwie für alle fünf Bandklassiker.

Sie behalten hier den deutschen Gesang bei, klingen stellenweise relativ straight wie auf der selbstbetitelten 1980er Scheibe, haben aber wieder deutlich mehr ausschweifende Passagen am Start. Highlight ist das fünfzehnminütige Tanz und Tod, das gefühlvolle Gitarrenspiel, die super ausgearbeiteten Chorgesänge, sowie generell die Lyrics der Platte. EIne wundervolle Scheibe, wie sie Anfang der 80er nur in Germany erschaffen werden konnte, die hat dieses ganz spezielle Feeling inne, da hört man sofort wo sie herkommt. I love it!!

Ich lese immer wieder, dass viele Menschen, darunter die AD Musiker selbst, In Blau als den Höhepunkt der Band ansehen. Dem würde ich nicht widersprechen wollen...

Schön zu lesen, das steigert die Vorfreude noch einmal! Ins Haus muss sie sowieso bald mal kommen.

Re: Die kleine, schnuckelige Wellness Rock/Prog Oase

BeitragVerfasst: 20. Juni 2020, 15:14
von Hofi
Flossensauger hat geschrieben:Das ist ja alles ganz nett hier, aber darf ich mal beizeiten an Gentle Giant erinnern?



Das ist übrigens live, was die da machen. Nur mal so zur Anregung.

Gentle Giant? Nie gehört!
Anspieltipps?

Und live soll das sein? Quatsch mit Soße!