RUNNING WILD – Blazon Stone (1991)Dass ich 2011 ein Review zu "Blazon Stone" schreiben werde, hätte ich vor Monaten noch für unmöglich gehalten. Das Album war mir zur Erscheinungszeit schwer verhasst. RUNNING WILD waren in meiner Welt von 1991 völlig uncool geworden. Nachdem die Band mit der zuvor veröffentlichen EP „Little Big Horn“ unter die Cowboys gegangen war, waren sie bei mir unten durch! Metal ist schließlich kein Fasching. Und RUNNING WILD keine Cowboys. Fertig! Außerdem machten den Butcher damals andere Bands umtriebig. Alles musste härter sein, schneller, und vor allem aggressiver!!! Zwischen „Death Or Glory“ (1989) und „Blazon Stone“ (1991) hatte sich die Metalwelt komplett verändert. Der Death Metal war groß geworden und verdammt gut! Wenn man sich mal vor Augen hält, dass alleine 1991 DEATH „Human“, MORBID ANGEL „Blessed Are The Sick“, PESTILENCE „Testimony Of The Ancients“, ENTOMBED „Clandestine", MORGOTH „Cursed“, PARADISE LOST „Gothic“, CARCASS „Necroticism“, BOLT THROWER „War Master“, DARKTHRONE „Soulside Journey“ und UNLEASHED „Where No Life Dwells“ veröffentlichten, sagt das schon einiges aus. Abseits des Death Metal zogen mich drei weitere Alben in ihren Bann. Das waren HEATHEN „Victims Of Deception“, SEPULTURA „Arise“ und ICED EARTH „Night Of The Stormrider“. In dieser neuen, aufregenden Welt war kein Platz mehr für RUNNING WILD.
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Anfang 2011 habe ich mich - aufgrund einer Diskussion in einem gewissen Metal-Board - wieder mal an „Blazon Stone“ gewagt. Und bisher ist das Album unter meinen Wiederentdeckungen des Jahres! Ohne verklärten Blick aus der Vergangenheit kann ich quasi frisch über das Album sinnieren...
Gelernt ist gelernt. So starten RUNNING WILD mit einem heroischen Gitarren-Intro in „Blazon Stone“. Gerade diese stetige Steigerung bis hin zur „Explosion“ (bei etwa 1:45) und dem eigentlichen Start des Titelsongs geht mir voll unter die Haut. Das ist große Heavy Metal-Kunst! Gleich beim ersten Song wird die gesamte Schatztruhe des RUNNING WILD-Repertoires geplündert. Oben drauf gibt’s eine wahre Lehrstunde, wie man den guten alten Hall effektiv einsetzt. Bitte nachhören und zustimmen:
They demonize our pride,
blood on blood, we can't submit
We battle side by side,
like a pounding ram that hits their head
Their manowar shall burn,
Mr. Mortis reaps his seed
The point of no return,
slanderous lies we will defeat An ihre PRIEST-Wurzeln erinnern RUNNING WILD beim drückenden „Lonewolf“. Wiederum ein ganz starker Song. Wenn es so weiterginge, könnte der „Port Royal“-Thron bedenklich wackeln. Geht’s aber nicht! Das grundsätzlich passable „Slavery“ hat ein völlig beschissenen Refrain. Keine Ahnung, was sich Rolf dabei gedacht hat. Dann mal lieber gar keinen Refrain.
Interessant, interessant. Da hat der Drummer auf dem Backcover – ja, der mit den kleinen, dicken Wurstfingern – doch tatsächlich auch einen Song beigesteuert. Mr. ACs „Fire And Ice“ ist gar ein guter Song, den ich immer wieder gern höre. Mit fürchterlich schleimigem Gedudel beginnt der angebliche Hit „Little Big Horn“. Nach dem peinlichen Anfang bekommt der Song noch die Kurve, obwohl er insgesamt zu fröhlich ausfällt (Stichwort: Leads).
Bei der CD-Version (als besonderen Service für Ulle) folgt nun das verzichtbare Instrumental „Over The Rainbow“. Auf LP wird die B-Seite von „White Masque“ eröffnet, einem typisch geilen Kasparek-Song der frühen 90er. Eingeleitet von den Geräuschen einer gaulgezogenen Kutsche hauen die Jungs wieder richtig einen raus. DAS ist der legitime Hit des Albums!
Der Banger „Rolling Wheels“ stammt aus der Feder des Bassisten Jens Becker. Das coole und düstere Riff erinnert mich sogar etwas an die ersten beiden Alben. Einer meiner Favoriten von „Blazon Stone“. Das folgende „Bloody Red Rose“ ist solide, geht aber insgesamt etwas unter.
Der zweite Becker-Song ist das schnelle und mit Abstand härteste „Straight To Hell“. Aus meiner Sicht sind gerade die Werke der „Fremdkomponisten“ ein wichtiges Mittel, um ordentlich Abwechslung in das Album zu bringen. „Heads Or Tails“ - wieder mal Hymnenalarm - schließt eine ganz starke Scheibe ab. Das ist wohl der Song, den HAMMERFALL auf ihren Alben 2 und 3 immer schreiben wollten, es aber nie hinbekommen haben. Außerdem hört sich sowas mit einem Rock'n'Rolf am Mikro einfach nicht so platt an wie mit Cans. Zugegebenermaßen kann ich mir „Heads Or Tails“ allerdings nicht jeden Tag anhören.
Fazit: Insgesamt schätze ich (Status heute) „Death Or Glory“ noch etwas höher als „Blazon Stone“ ein, da das Songmaterial in Gesamtheit etwas stärker ist. Allerdings wären „Blazon Stone“, „Lonewolf“ und „White Masque“ wohl auch auf „Death Or Glory“ die stärksten Songs.