von Neudi » 8. September 2010, 15:48
Sehr gehaltvolle Antworten auf ein Thema, was mich wirklich oft beschäftigt (und ich mache bekanntlich kein Festival und habe es auch nicht vor).
Ich hoffe, daß das zum Teil nicht falsch verstanden wurde. Ich fand beim BYH die Bandauswahl gerade morgens und nachmittags gigangtisch gut und ich freue mich, wenn ein Maiden/AC-DC-Nicht-Über-Den-Tellerrand-Schauer sich Montags im Media Markt nach Loudness CDs erkundigt (wie ich es erlebt habe). Und ich glaube auch, daß ein Horst oder Jagger durchaus ähnliche Gedankengänge haben, denn ein solches Festival wirft ja schon ohne Gagen hohe Kosten und viel Arbeit auf. Man braucht also neben den KITlern (um Gottes Willen jetzt nicht reimen!!!!) und HOAlern, die auch um 11 Uhr stramm und bangend vor der Bühne stehen, auch die Leute, die eben nur die wenigen großen Bands mitbekommen, ja vielleicht durch den Spiegel oder ein TV-Heft erfahren, daß eine neue Maiden erschienen ist. Die würden bestimmt auch z.B. Enforcer cool finden, würden diese Band aber niemals mitbekommen...
Und bevor noch ein falscher Gedanke kommt: Wir sind mit Roxxcalibur bei Limb Music extrem zufrieden und pflegen ein freundschaftliches Verhältnis, was sehr selten in diesem Business ist. Er hat z.B. an Roxxcalibur schon geglaubt, da kannte er nur Viron (also 2/3 des Roxx-Line-Ups) und unsere Idee. Da sagte er schon: Das möchte ich machen! Bei so einer Begeisterung weiß ich einfach, daß das die richtige Firma ist und wir haben mit keiner anderen Firma verhandelt. Der schriftliche Deal war eigentlich nur noch Formsache. Die Roxxcalibur-CD ist eine der wenigen Scheiben aus "meinem persönlichen Backkatalog", die ich jederzeit gerne höre. Ganz einfach, weil ausreichend in das Produkt investiert wurde. Dies hat auch zur Folge, daß ich auch das Drumrum (Cover, Booklet) heute noch klasse finde. Und in seinem Katalog findet man auch viele Bands, die mehrere Scheiben bei ihm gemacht haben. Und: Er veröffentlicht verhältnismäßig wenige CDs und signt nur Bands, an die er persönlich glaubt. Das finde ich klasse, da er sich so viel mehr auf die einzelnen Produkte/Bands konzentrieren kann.
Als alter Media Marktler besucht mich die Firma SoulFood alle zwei Wochen, um mir die neuen Scheiben zu verkaufen. Und es ist einfach unfaßbar, wie viele das alle zwei Wochen sind. Mittlerweile lasse ich die Produkte von kompletten Labels (!) weg, damit ich ein sinnvolles Metalregal habe und nicht künstlich aufgeblähte 20 Meter, von denen sich nur CDs verkaufen, die auch auf 6 Meter passen würden. In unseren Kreisen nennt man das "gezielt einkaufen" und ohne das geht es einfach nicht mehr.
Ein Labelboss einer namhaften Metal-Firma erzählte mir beim BYH 2009, daß es 2008 und 2009 jeweils eine VÖ gab, die am Ende im gesamten Vertriebsgebiet (GAS) ZWEISTELLIG (!!!!!) verkauft hat. Verkäufe knapp über vierstellig (also 1100 oder 1200, ein Witz gegen die LP-Verkäufe in den 80s) sind schon als positiv zu werten. Obwohl es die Firma noch gibt, wirkt er sehr desillusioniert, allerdings ist er doch selbst schuld, wenn er im Monat 10 Releases hat, weil Newcomerbands ihm die Produktionen quasi schenken. Mein Gott, selbst das Durchhören von neuen Release im CD-Shop würde ja Stunden dauern...und die Review-Seiten in den Mags sind ja mittlerweile endlos - und die lassen schon viel weg oder haben Rubriken wie "Kurz und Schmerzlos".
Zu SoulFood (die am meisten Metal in Deutschland haben) kommen ja auch noch die Anderen. Edel hat viel von SPV übernommen, Alive, Good to Go (Ex Rough Trade), die Majors und viele einzelne Releases bei ansonsten Metal-fremden Firmen wie ZYX. Diese Masse an Metalneuheiten läßt mich regelrecht schmunzeln und was noch viel krasser ist: Die besten Newcomer muß ich mir über Importwege besorgen oder es gibt sie nur bei Mailorderfirmen. Ich tue das für "meinen" Mediamarkt, aber die anderen Filialen eben nicht...Ich habe viele Re-Issues von Savage oder Jameson Raid verkauft, während eine Neuheit einer "normalen" Firma mit Anzeigenschaltung stehen bleibt (obwohl viele CDs offen sind, also gehört wurden). Aber das ist wieder ein anderes Thema...
Mit meinem Text meine ich auch nicht, daß weniger Leute Musik machen sollen. Im Gegenteil: Ich finde es klasse, denn es hilft auch, bewußt Musik zu hören und dadurch auch mehr Spaß an der Musik zu haben. Ganz zu schweigen, daß ich von Freizeitaktivitäten wie Playstation und stundenlange I-Phone-Nutzungen nichts halte.
Wäre der Metal die Bundesliga, dann hätten wir keine Probleme. Die Bundesliga richtig sich nach den Ergebnissen der Leistung (mal von Einkäufen von Spielern abgesehen, aber da kenne ich mich null aus!!) und in der ersten Liga spielen halt die Mannschaften, die in der vorherigen Saison am besten abgeschnitten haben. Und wer schlechter wird fällt auch wieder zurück. Natürlich hinkt der Vergleich, weil Musik IMMER Geschmacksache ist (es soll ja sogar Killer Fox Fans geben!), aber trotzdem gibt es gerade im Metal in der ersten Liga nur wenige "Mannschaften", dafür aber zehntausende in der zweiten und dritten.
Ich kann es verstehen, wenn man als (junge ) Band die gleichen Träume und Ziele hat, wie die, die es fast schon geschafft haben. Aber die Veröffentlichung eines Tonträgers ist heute eigentlich nichts Besonderes mehr, außer eben mit einem Deal und wenn man selbst NICHTS bezahlt hat (aus eigener Tasche). In meiner Gegend waren die erfolgreicheren Bands ein Resultat aus vorangegangenen Auflösungen vieler kleinerer Band. Die einen hatten einen guten Gitarrist, die nächsten einen tollen Sänger etc. Irgendwann hat sich auch auf Musikerbasis die Spreu vom Weizen getrennt und es gab am Ende halt nur eine oder zwei Bands aus den Leuten, die zuvor noch 10 oder 20 betrieben haben. Die Ausgeschiedenen haben dann entweder für sich weitermusiziert oder es einfach als nettes Kapitel in ihrem Leben abgehakt und sich um Frau und Kind gekümmert. Das Resultat waren dann Bands, die technisch gut waren (Geschmack spielt ja immer noch mit). Diese Story findet Ihr auch bei vielen alten Bands. Lest einfach mal deren Histories. Und auch wenn es mir um die Ausgeschiedenen vielleicht leid tut: Es war richtig so und gesund für die Szene! Freundschaft ist nicht immer förderlich für eine Band, Klar könnte ein Roland Grapow auch heute noch bei Rampage spielen und Janik Gers an White Spirit festhalten...
Und um noch mal auf Budgets zurückzukommen: Viele 80s Bands konnten schon zum Debüt von der Musik leben, weil die Plattenfirmen ein Interesse daran hatten, daß sich die Musiker auf ihren Job konzentrieren: Als Musiker - Live, Studio, Promotouren etc. Und heute? Es gibt Bands, die nur in den Ferien touren können, welche, die nur Einzelshows spielen können wegen den Jobs etc. Ich rede hier NICHT von kleinen Bands, sondern bereits von Gruppen, von denen so mancher Fan denkt, sie würden mit der Musik Geld verdienen. Sicher - Leute wie Exodus hat das schon fast in die Obdachlosigkeit geführt, was unschön ist, aber es ging nur Hopp oder Topp.
Die Downloadproblematik sehe ich in diesem Punkt eher gering, gerade im Metal. Und legale Downloads sind völlig ok, auch wenn ich persönlich kein Interesse daran habe.
Daß man heute nichts Neues mehr machen/erfinden kann (oder im Metal auch gar nicht möchte), ist schon seit längerer Zeit der Fall. Doch das ist nicht der Knackpunkt. Viele der späteren bekannten Bands (ob man sie mag oder nicht), haben neben ihren Songs einen Aufhänger gehabt.
Sepultura - Brasilien (heute nix Besonderes mehr)
Slipknot - verteckt hinter Masken, angepisstes Image etc.
Edguy - Frontmann mit Entertainerqualitäten
Type O Negative - Peter Steele als Person...das reichte schon...
Hammerfall - True Metal in einer Zeit, in der diese Richtung null angesagt war (Danke an Blast, ob man HF mag oder nicht, sie waren damals enorm wichtig!)
Airbourne - Jungs von der Straße, die sich (angeblich) in Kneipen den Arsch abgespielt haben und die heftigen Pubshows nun auf große Bühnen bringen/Spielfreude als Thema in Interviews
etc. etc.
Das sind alles Nebenthemen, mit denen eine Plattenfirma arbeiten konnte oder arbeitet. Sicher, in "unseren Kreisen" (KIT/HOA etc.) ist all das nicht notwendig. Wir haben unsere "Stars" wegen der Musik (Manilla Road, Cirith Ungol), aber um Bands groß zu machen, braucht man dies. Roxxcalibur sind weltweit gesehen natürlich keine große Band, aber es lief besser als jeder von uns erwartet hätte. Man muß aber auch ehrlich sagen, daß unser Bandkonzept ein Aufhänger ist, was uns später bewußt wurde. Wir haben mehr Interviews auch für große Hefte gegeben, als jemals mit Viron, Abandoned und allem davor. Es war ein gesundes Interesse da - warum wir das machen, wie man auf so eine Idee kommt, woher wir die Songs haben etc. Die Tatsache, daß wir weitestgehend obskure NWOBHM-Covers spielen hat nach einer gewissen Zeit für uns gearbeitet. Und so wurde so manch Rock Hard Leser, der sich zuvor nie für NWOBHM interessiert, auf uns aufmerksam und hat sich die Scheibe gekauft.
Und ich habe dafür Verständnis: Was sollte man auf drei Seiten über Viron berichten? Daß wir 2 x pro Woche geprobt haben, daß wir gerne Bier trinken? Egal wie die Musik war, die Band hat als solches "relativ wenig hergegeben". Und das ist leider bei vielen neuen Gruppen so. Metalfans haben eine Band. Eine wirklich tolle Sache, aber einfach unmöglich irgendwie zu vermarkten - und zwar bei dem Fan, der gerade mal Priest, Maiden oder AC/DC mitbekommt.
Das Schöne ist aber, daß wir in diesem Forum diese Probleme nicht haben, weil hier ja nur Metaller sind, die sich selbst um Informationen kümmern und selbst Bands entdecken wollen - ob alte oder aktuelle. Daher ist dies auch fast das einzige Forum (mit Unterforen), in dem ich gerne lese und schreibe (Rock Hard gefällt mir auch gut und auf andere muß ich ja aus verschiedenen Gründen immer mal). Dennoch finde ich das Thema sehr interessant und freue mich auf weitere Meinungen:)
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"If you want to be a fucker, zieh die Oma durch de Acker"