von Neudi » 22. Mai 2011, 21:38
Es gibt seit aktuell und schon seit einigen Jahren eigentlich folgende Möglichkeiten:
1.) Der Drummer spielt (mit Restband oder Bass und eine Gitarre oder zu einer vorher aufgenommen "Pilotspur" die Drums ein. Mit Clicktrack (Metronom, macht man meistens und ist auch nix Schlimmes und "untrues") ohne Clicktrack oder wie ich: Clicktrack die ersten paar Minuten und dann irgendwann ausschalten (und mit Bass und Gitarren weiterspielen).
2.) Wie Möglichkeit 1, aber die Drums werden mit dem Originalsound "gerückt". Dabei werden entweder einzelne Hänger ausgemärtzt, oder wirklich Schlag für Schlag (auf Sichtkontakt!!! Nicht per Gehör...was total schwachsinning ist!!!) punktgenau auf den Click gerückt. Dabei muss man wissen, daß der Clicktrack auf Pro Tools (und den anderen Programmen) zu sehen ist, meistens bei uns im Metal 4/4-Takt. Daher auch so Sätze wie "die Snare war nicht ganz auf der 2". Damit ist gemeint, daß der Snareschlag auf den zweiten Zähler eines 4/4-Taktes nicht genau gestimmt hat.
Zu dieser Möglichkeit (aber auch schon mal bei Mögl. 1!) gesellt sich gerne ein Lautstärkeausgleich der einzelnen Schläge. Darunter leiden meistens die Bassdrums, wenn erst Midtempo und dann schnell gespielt wird. Das Schnelle ist in der Regel etwas leiser und wird dann aber, unmenschlich klingend, gleichlaut gemacht. (Eine gewisee Kompression ist natürlich völlig ok und auch notwendig...macht man eigentlich schon immer).
3.) Wie Möglichkeit zwei, aber die die einzelnen Trommeln werden von Samples entweder ausgetauscht, oder mit dem Originalsound gemischt. Das ist eigentlich "nachträglich triggern". Ein Sample ist entweder ein zuvor recordetes Signal (Bassdrum, Snare, Toms) oder ein künstlich erstellter Sound. Das geht natürlich auch ohne Möglichkeit 2, aber meistens wird das kombiniert. Im Grunde kann der Drummer mit 10 Jahre alten Fellen und einer Kiste von Basix oder Champion ankommen, denn der Sound wird ersetzt. Auffällig bei solchen Verfahrensweisen ist, daß die Becken (die hier meistens noch natürlich bleiben) schwach innerhalb der Gesamtproduktion zu hören sind. Kein Wunder, denn die gerückten Stellen hört man ja im Original noch über die Beckenmikrophone (Overheads). Es ist viel Arbeit, das Blech mitzurücken...
4.) Der Overkill: Man programmiert die Drums. Hier und da werden tatsächlich echte Becken dazu gespielt, nachdem, die Drumppaterns erstellt wurden. Unfassbar...aber real!
Schon ab Punkt 2 wird nicht nur der Mensch hinter den Kesseln verleugnet. Es ist (für mich) hier schon hörbar, daß was nicht stimmt. Allerdings kann ich mit Produktionen der Kategorie "Mögl. 2" oft noch leben.
Was Andy Sneap genau macht, kann ich nicht sagen. Bei einem Gespräch mit ihm haben wir uns nach 5 Minuten bereits verkracht... Ich glaube nicht, daß er Drums programmiert. Ich vermute sogar, daß er, wie viele "junge" Produzenten, sogar recht offen an die Sache rangeht, aber während der Produktion vom Perfektionswahn übermannt wird. Ich habe das bei anderen Engineers/Produzenten bereits erlebt. Man beginnt mit einer Kleinigkeit, macht dann doch mehr...und am Schluß nerven ihn dann die wenigen noch "unperfekten" Sachen. So läuft es meistens, sofern die Band nicht einen klinischen Sound möchte denn...auch das gibt es und DANN finde ich 1 bis 3 sogar völlig legitim. Fear Factory, Machine Head, Metalcore-Bands - da passt das (es muß mir ja nicht gefallen). Und die hyperspeedigen Stilrichtungen (Grindcore, Black Metal, manche Death Metal Bands) können aufgrund der irren Geschwindigkeit auch gar nicht mehr anders. Man würde den Drummer einfach nicht mehr hören, wenn es an die Blastbeats geht (selbst Herr Hoglan triggert....).
Dieses Thema bedarf aber auch einen Rückblick, denn sonst macht es keinen Sinn. Früher mußte eine Band durchweg gut sein, denn was auf dem Analog-24-Spurband drauf war....war eben drauf. Man konnte zwar "Ein- und Aussteigen", sprich: einen Part erneut spielen, aber selbst dieser Schnitt war damals schon viel Arbeit und erforderte viel Gefühl. Man hört das sehr schön an meiner eigenen CD von Economist 94. Da hört dann mal ein Becken mitten im Klang auf, weil ich danach einen zweiten Take gespielt habe (und das Becken nicht wieder gespielt habe). Übrigens: Mangels Spuren sind auf der Economist CD die Toms getriggert...ja ja, auch ich war schon schuldig:) Kokoon war gerückt, Century auch...aber gerade durch diese Bands habe ich gelernt, diese Arbeitsweise und den daraus resultierenden Klang zu hassen (und zu wissen, warum mir British Steel besser gefällt als Defenders, obwohl mir die Songs darauf teilweise besser gefallen...).
Die Möglichkeiten 1 bis 3 haben für mich in der Metal- und Classic Rock Welt nichts verloren. Moderner Metal, kein Problem! Popmusik - völlig ok!
Die neue Roxxcalibur ist fĂĽr mich der Flaschback zu meiner allerersten LP, die ich in den Achtzigern aufgenommen habe (Sudden Darkness, kam bei GAMA leider oder zum GlĂĽck nie raus...). Wenn ich meinen eigenen Backkatalog durchgehe, dann ist die neue Roxxcalibur und die Sudden Darkness das Krasseste, was oldschool Recordings angeht.
"If you want to be a fucker, zieh die Oma durch de Acker"