von Prof » 11. September 2011, 11:52
Wenn Arch/Matheos und Dream Theater am selben Tag Alben veröffentlichen diktiert die undergroundmetallische Logik dass von anderen Prog-VÖs kaum geredet wird. Lasst mich daher unlogisch sein und einige Worte zum neuen Anubis Gate-Werk notieren.
Eins Vorweg: der Vorabsongschnipsel aus 'Hold back tomorrow' ist/war etwas ungeschickt gewählt, ist der Opener doch nicht ganz representativ für dieses Album dass schlicht 'Anubis Gate' getauft wurde, einen Neubeginn symbolisierend. Erst nach dem relativ einfach gestrickten, in seiner Gesamtausrichtung gar AOR-lastigen Track kommt nämlich Anubis erst zur Gate. Lied numero zwei 'The re-formation show' bietet dann die unverkennbare AG-Mischung aus vertrackt und eingängig, wobei das counterpointing zwischen Rhythmen und Gesangsmelodien sehr spannend ist. Wie die anderen Songs klingt der Track wie aus einem Guss.
Bei Anubis Gate ging es nie darum, möglichst viele Breaks aneinander zu reihen. Diesmal ist das Material aber noch kompakter als zuvor: die Details sind noch mehr in den einfallsreichen Melodieabläufen, in der Rhythmusgitarren- und Bassarbeit versteckt. Da kann ein Song ruhig sieben Minuten dauern, die Zeit vergeht wie im Flug. Die Produktion von Jacob Hansen und Gitarrist/Keyboarder Kim Olesen ist dazu der perfekte transparente Wegbegleiter: it sounds big, but it sounds right.
Dass Jacob Hansen keine Zeit hatte um erneut ein Album einzusingen, ist ein Glücksfall: Basser Henrik Fevre, der schon immer für das schreiben der Gesangslinien verantwortlich war, hat die Vokalen übernommen. 'Anubis Gate' klingt auch deswegen natürlicher, direkter als die letzten zwei AG-Alben. Erstaunlicherweise hat man in einigen Tracks heavytechnisch noch einige Brikettchen nachgelegt: das düstere 'Telltale eyes' und 'Oh my precious life' (mit waschechtem Speedpart), zum Beispiel, könnten auch auf 'The politics of ecstacy' von Nevermore stehen. Die Gitarren braten dass es eine wahre Freude ist.
Der Unterschied zu Nevermore ist das Finesse dieser Dänen. Ihr Fingerspitzengefühl, Melodie und Härte fliessend miteinander zu verbinden. Das fängt bei den oft ungewöhnlichen Vocallines an und spiegelt sich im ausgetüftelten Riffing wieder. Und da kommt dann fast logischerweise ein Knaller wie 'Desiderio omnibus' bei raus. Alleine die Filigrangitarren und der geniale ausgedehnte Refrain lassen einen die Kinnlade runterklappen. Dieser Song dürfte zum metallischten gehören dass die Band in ihrer Karriere aufgenommen hat, Power ohne Ende. Repeattaste!
Mit dem von Jacob Hansen im Alleingang geschriebenen 'Golden days' und dem Abschlusstrack 'Circumstanced' hat dieses Album dann noch zwei richtige Asse im Gepäck. 'Golden days', textlich der metallische Zwillingsbruder von Frank Sinatras Klassiker 'September of my years', ist ein getragener Groover mit unschlagbaren Melodien/Harmonien. Balladieren ohne balladesk zu sein, geht das? Ja, das geht im Falle Anubis Gate.
Und obwohl Beziehungskisten nun wahrlich nicht zu meinem bevorzugten Metallyrikmaterial gehören, ist die Art und Weise wie Henrik Fevre den Herzensschmerz in 'Circumstanced' 'rüberbringt schlichtweg ergreifend.
'And still, with the anguish intact
I'd have the strength to react
if only your ghost would leave me alone'
Das kompositorisch hochbegabte Dreigespann Olesen/Hansen/Jesper M. Jensen (Gitarre) hat diesen Song zu einer richtigen Perle veredelt. Mitreissende Gitarren, Drummer Morten Sorensen der songdienlich aber mit Groove trommelt, der emotionale Gesang Fevres - alles klingt intensiv, melancholisch und, es sei nochmal erwähnt, wie aus einem Guss.
Ein tolles Finale für ein völlig eigenständiges Album mit Tiefgang, Ecken und Kanten das es verdient hätte, gleich mit dem Arch/Matheos-Werk und Opeths 'Heritage' eingetütet zu werden. Für die Dream Theater-Fanschicht gilt: tut euch bitte einen Gefallen und hört rein in 'Anubis Gate' (und skippt erstmal 'Hold back tomorrow').
*Ende der Durchsage*