Die Band mit dem simplen Namen EARTH stammt bereits seit 25 Jahren aus Seattle in den Vereinigten Staaten von Amerika und ist TrĂ€ger der musikalischen Vision von Dylan Carlson, dessen Gitarrenspiel das RĂŒckgrat jedes Earth-Albums bildet, wie unterschiedlich sie auch sein mögen. Es sei zu Beginn darauf hingeweisen, dass diese Vision mit vereinzelten Ausnahmen rein instrumental umgesetzt wird. Wer einen charismatischen SĂ€nger benötigt, um sich in Musik hineinfinden zu können, sollte an dieser Stelle umkehren. Und ehe sich jemand beim Anhören gelangweilt fĂŒhlt: Es "passiert" im Grunde sehr, sehr wenig in dieser Musik.
In den ersten Jahren nach der GrĂŒndung begrĂŒndete die Band den verlangsamten, von Gitarrenverzerrung und aufreibender Monotonie geprĂ€gten Stil, der spĂ€ter als Drone Doom zahlreiche Nachahmer fand - Sunn O))), die wohl bekanntesten Epigonen, haben ein StĂŒck ihres ersten Demos ganz simpel mit "Dylan Carlson" betitelt. Das erste komplette Earth-Album, "Earth2 - Special Low Frequency Version", werden sie allerdings in Sachen Konsequenz nicht mehr ĂŒberbieten können, denn die unanstĂ€ndig langen Lieder bestehen aus jeweils ein bis zwei endlos wiederholten, dröhnenden Akkorden, spartanischer Perkussion und verstreuten HintergrundgerĂ€uschen. Die beiden folgenden Alben bis zur vorlĂ€ufigen Auflösung waren wieder mit mehr Variation wahlweise geschlagen oder gesegnet, auf "Pentastar" wurde gar in the style of stoner gerifft. Im Jahre 1997 wurden dann die Stromkreise aller VerstĂ€rker und Verzerrer unterbrochen, Dylan Carlson verschwand im Drogensumpf ("Shot cocaine with Hermann Göring, now I wish I was dead", wie es in High Command hieĂ, obwohl Carlsons bester Freund eigentlich das Heroin war) und Earth versank hinterm Horizont.
Dies soll als historischer Hintergrund dienen, die Musik dieser ersten Phase will ich hier nicht ausdrĂŒcklich empfehlen, da sie mir selbst nicht besonders zusagt.
Die Geschichte setzt sich sechs bis acht Jahre spÀter fort. Dylan Carlson, mittlerweile drogenfrei (aber ziemlich gezeichnet, wie Videos aus dieser Zeit belegen), lieà die Erde wieder aufgehen und nach einem kruden Livealbum namens "Living in the Gleam of an Unsheathed Sword" als Befreiungsschlag erfolgte 2005 ein stilistischer Richtungswechsel.
Wiederholung und Minimalismus, der Aufbau eines Liedes um wenige zentrale Motive und die Fokussierung auf die Gitarre blieben bestehen und bilden bis heute den Kern der Musik von Earth. Die niederfrequenten GitarrenwĂ€nde jedoch wurden eingerissen und die Gitarre sollte fortan mit einem Bruchteil der frĂŒher ĂŒblichen Verzerrung eingesetzt werden. Dylan Carlson lieĂ auĂerdem so manchen Einfluss aus der weiten Welt der Gitarrenmusik auf sich wirken, anstatt nur auf das Rauschen seiner VerstĂ€rker zu hören.
Die Instrumentierung auf "Hex; or Printing in the Infernal Method" (2005; der zweite Teil des Namens ist eine Anspielung auf William Blake), dem ersten Werk unter diesen neuen Vorzeichen, reflektiert dieses weitere Blickfeld: Neben der elektrischen Gitarre kommen Steel-Gitarre, ein vergröĂertes Perkussionsarsenal, Posaune, Baritongitarre und ein Banjo zum Einsatz. Wie es bei einer solchen Besetzung naheliegt, handelt es sich im Grunde um einen Soundtrack zu einem niemals gedrehten Western. Durch die geschickte Balance zwischen Repetition und Differenz entfaltet sich ĂŒber 47 Minuten eine einfache, evokative Schönheit, die sich perfekt mit der visuellen Gestaltung (Photographien aus der Zeit der Besiedelung des nordamerikanischen Westens) ergĂ€nzt. Ăhnlich wie bei den abgebildeten kargen Landschaften ist es schwer, beim ersten Zusammentreffen mit "Hex" diese Schönheit zu erkennen. Das Album ist wie eine trockene, gebirgige Hochebene voller rötlicher Felsformationen; es wirkt zunĂ€chst abweisend, irritiert und ist schwer fassbar, besitzt jedoch eine ganz eigene MajestĂ€t, wenn man es kennen und schĂ€tzen lernt.
Ein typisches Beispiel fĂŒr den langsamen Aufbau auf einen kurzen, erhabenen Augenblick hin, der dieses Album prĂ€gt, bietet Lens of Unrectified Night (ignoriert das komische Bild). Tethered to the Polestar weist als Abschluss von "Hex" hingegen im zweiten Teil den wohl geschlossensten Melodiebogen auf dem Album auf.
Weiteres folgt in KĂŒrze.
Entschuldigung, dass wir im Hardrock/Prog-Forum sind, aber im Offtopic-Bereich wÀre der Thread wohl sehr untergegangen.
Erfolgreich alle abgeschreckt? Nun denn, eilig weiter, damit das Thema schnell wieder in seine verdiente Ruhe sinken darf.
"Hibernaculum" (Latein fĂŒr einen Unterschlupf, in dem ein Lebewesen ĂŒberwintert) folgte im Jahre 2007 auf das oben angepriesene Album. Trotz einer Spielzeit von knapp 37 Minuten handelt es sich nicht um eine Langspielplatte, denn die gebotene Musik ist eigentlich nicht neu. Die ersten drei Lieder, darunter mit dem hypnotischen Ouroboros is Broken das erste, das Dylan Carlson fĂŒr die Band schrieb, erschienen auf verschiedenen TontrĂ€gern vor der zeitweiligen Auflösung. FĂŒr die EP wurden sie behutsam in den mit "Hex" neu ergriffenen Stil ĂŒberfĂŒhrt. Neueinspielungen sind normalerweise KĂ€se, hauptsĂ€chlich wegen der sonderbaren Auffassung, die manche Musiker ĂŒber die Jahre von ihrem einstigen Schaffen entwickeln. Mit einem Fanatiker der frĂŒhen Earth-Jahre könnte man sicherlich trefflich darĂŒber streiten, ob das auch fĂŒr "Hibernaculum" gilt. Wie dem auch sei, ich halte im direkten Vergleich die neu arrangierten Versionen fĂŒr vielschichtiger und wirkmĂ€chtiger. Dass das alte Liedgut nicht einfach auf Zwang in eine neue Schablone gepresst wurde, kann man daran hören, dass es trotz der sehr Ă€hnlichen Herangehensweise und Instrumentierung nicht auf "Hex" passen wĂŒrden - es klingt weniger verschlossen und trocken als das "Reunion"-Album. Das vierte und letzte Lied der Platte ist der 16 Minuten lange Beitrag zu einer im Jahr zuvor erschienenen Split-EP mit Sunn O))). Es dauert dementsprechend erst mal sieben Minuten, ehe sich A Plague of Angels hochschwingt. Aber die Zeit hat man ja, nicht wahr?
Die CD-Verkaufsversion enthÀlt als Bonus eine DVD mit einer kurzen Dokumentation. Ich habe daraus entnommen, dass Dylan Carlson um 2005 sehr, sehr ungesund aussah (heutzutage sieht er wieder deutlich fitter aus, sowohl auf Photographien als auch in persona) und dass er eine sehr, sehr nasale Stimme hat.
Hmmm, das klingt sehr interessant, auch wenn ich evtl. in meiner Bohren-Phase sein muss. Ich google mich da gleich mal schlau - THX Und ein neues Lieblingswort habe ich auch gefunden: WirkmÀchtiger
Earth...schwierig...mag eher die FrĂŒhwerke...Bohren-Phase, ne, ganz andere Baustelle. Die cover wurden geiler, die Musik nicht. Man kann alles von Earth mögen, aber die haben alles schon vor 20 Jahren gesagt.Sie mögen ihren musikalischen Horizont erweitert haben, um diverse Stilelemente zu integrieren. Aber das interessiert mich nicht. Null, gar nicht, niemals. Fick die Erde.
Höhepunkt der Earth-Diskographie, zumindest bislang: Das 2008er Kunstwerk "The Bees Made Honey in the Lion's Skull". Womit das Motiv auf dem Cover sogleich treffend beschrieben wĂ€re, in krĂ€ftigen, warmen (sehr passend zur Musik) Farben gestaltet vom KĂŒnstler, der auch das Cover fĂŒr das leicht umstrittene, letzte TGoS-Album "The Wretch" gemalt hat.
"The Bees..." ist gegenĂŒber den bisher vorgestellten Werken opulenter, flieĂender im Zusammenspiel der Instrumente, reicher an Texturen und Melodien. Anstelle des betont langsamen Aufbaus mit Blick auf einen schlieĂlich hervorbrechenden einzelnen Höhepunkt tritt hier innerhalb der sechs bis neun Minuten der Lieder die kaleidoskopische Variation der Grundmotive. Mit diesem verschobenen Fokus der Kompositionen verĂ€ndert sich natĂŒrlich auch die Stimmung, die die Musik vermittelt. Sie wirkt entspannter, befreiter, fast schon sonnig. FĂŒr ein passendes Ambiente mĂŒsste man "The Bees..." an einem SpĂ€tsommerabend in einem Obstgarten abspielen. Aber nicht zu laut, um die Bienen nicht zu erschrecken.
Das besondere Etwas des Albums ist fĂŒr mich der Gitarrensound: Warm, voll, unmittelbar, so lebendig, als hĂ€tte man Gitarrensaiten ĂŒber die Lautsprecher gespannt. Die zusĂ€tzlichen Instrumente - hauptsĂ€chlich Klavier, Hammondorgel und Wurlitzer-Elektroklavier - stehen weiter im Vordergrund und ranken und winden sich um die richtungsangebenden Gitarrenlinien (die Tour zum Album wurde folgerichtig von Steve Moore mitbestritten, der alle Tasteninstrumente eingespielt hatte). Schlagzeug und Perkussion bilden wie altbewĂ€hrt das unauffĂ€llige, stabile GerĂŒst. Wem es die anderen Alben deutlich zu weit treiben mit dem Minimalismus, könnte hier vielleicht AnknĂŒpfungspunkte finden. Vielleicht.
Ein sehr löbliches Unterfangen, Meister Cromwell. Die Massen scheinen noch zu euphorisiert zu sein, um ihre Begeisterung ob der KlÀnge zum Ausdruck zu bringen.
Also ich finde solche Vorstellungen immer super. Die hier zuletzt verlinkten beiden Hörproben gefallen mir sehr gut, Klanglandschaften zum hineinliegen. Freue mich auf weitere AusfĂŒhrungen Cromwells..
Nolli hat geschrieben:Also ich finde solche Vorstellungen immer super. Die hier zuletzt verlinkten beiden Hörproben gefallen mir sehr gut, Klanglandschaften zum hineinliegen. Freue mich auf weitere AusfĂŒhrungen Cromwells..
Dem kann ich mich nur anschlieĂen. Vorstellungen aus denen das Herzblut tropft sind einfach wunderbar. Danke Meister Cromwell.
Sacrifice to vice or die by the hand of the Sinner!
Ich schliesse mich Mal dem Herr Birdrich an was die ersten Scheiben betrifft, die hab ich rauf und runter gehört, meisst am Abend, schön gediegen mit nem Joint. Mit "Pentastar" war dann Schluss, obwohl ich die mag. Irgendwie hatten sich auch die Hörgewohnheiten geĂ€ndert, egal. Ich hab zwar immer registriert, dass da neues Material erschienen ist aber eigentlich kein wirkliches Interesse da wenigstens einmal reizuhören, was auch an fehlender Zeit fĂŒr diese Art Musik liegt. Hiermit ein Lob an den Herrn Cromwell fĂŒr die Vorstellung von Earth, auch wenn die göttlichen ersten beiden Werk mehr Huldigung verdienen, schon allein deshalb, weil sie in ihrer Zeit völlig eigenstĂ€ndig und einzigartig waren. Wer braucht da schon SUNN((())) (oder wie die geschrieben werden).