METAL HAMMER FESTIVAL
14.09.1985
Freilichtbühne St. Goarshausen
Nach der Ausstrahlung von "Rock Pop in Concert" und dem täglichen Konsum des Videotapes war klar...bei der nächsten vergleichbaren Veranstaltung würden wir (3 Kumpels - 14/15 Jahre alt) dabei sein! "Monsters of Rock" fiel 1985 (zumindest in Deutschland) aus und als "Quasiersatz" wurde das METAL HAMMER FESTIVAL auf der Loreley aus der Taufe gehoben.
Der Hammer hatte eine Hotline eingerichtet bei der ich mehrmals täglich anrief..."Bislang bestätigt: MOTÖRHEAD" erzählte mir die Stimme immer wieder...naja...doch eines Tages wurden aus MOTÖRHEAD plötzlich METALLICA und alle Sicherungen brannten durch...
...die Tickets (33,- + VVK!) waren bereits beim Fremdenverkehrsverband St. Goarshausen geordert bevor die Anreise (250Km) geklärt oder gar die elterliche Erlaubnis eingeholt wurde...würde schon irgendwie klappen...
Also erstmal die Altvorderen überzeugen...mein Dad sollte uns chauffieren und ich köderte ihn mit einem tollen Wochenendausflug zur schönen Loreley...damit würde er sicher auch Mama überzeugen können...nachdem auch die anderen Eltern in langen Gesprächen besänftigt wurden war der Weg bereitet...das Billing war mittlerweile komplett: RUNNING WILD, PRETTY MAIDS, SAVAGE GRACE, WARLOCK, VENOM, METALLICA...
Beim letzten Anstieg zur Freilichtbühne geriet unser Unterfangen nochmal kurz in Gefahr...die langhaarigen, nietenbehangenen Horden und das Polizeiaufgebot (inklusive Wasserwerfern) ließen doch leichte Panik bei Muttern aufkommen: "Ihr steigt hier nicht aus...wir haben versprochen gut auf euch aufzupassen...".
...und ehrlich gesagt, als wir vor dem Einlass von der Menge vereinnahmt wurden war uns auch durchaus mulmig zumute...
RESTLESS und TYRAN PACE tönten in der Ferne und die Vorfreude und Aufregung wühlte uns komplett auf...das erste Bierchen von ein paar fremden Bangern tat sein übriges...wir waren mittendrin statt nur dabei...
Zu den ersten Klängen von RUNNING WILD (damals eine meiner absoluten Lieblingsbands!) stolperten wir die steilen Steintreppen hinunter...ein paar Pyros, "Diabolic Force, Occult Energy..."...AAARRRGGGHHH...BESSER geht nicht...
Mit "Branded & Exiled" und "Black Demon" gabs auch zwei neue Nummern und wir sind komplett durchgedreht was einige ältere Rocker doch ziemlich verwundert zur Kenntnis nahmen...haha...nach ner guten halben Stunde war das Spektakel schon vorüber...statt dieser dämlichen Hammerverleihung hätten wohl alle Anwesenden lieber eine ordentliche Zugabe gewollt...egal...die perfekte Livefeuertaufe lag hinter uns...
Dann folgte mit SAVAGE GRACE mein Traumhighlight...in den letzten 1 1/2 Jahren war ich in rasanten Tempo von den SCORPIONS über ANTHRAX, EXCITER, CULPRIT & Co in den Metalunderground herabgestiegen...und dort waren SAVAGE GRACE einfach Götter. Ich war wie von Sinnen...gröhlte jedes Wort begeistert mit und blendete die tatsächlich gebotene Vorstellung wohl gekonnt aus...ein paar Monate später bekam ich ein Livetape und war doch etwas verwundert...klar war mir aufgefallen, dass Chris kein Sangesgott gewesen war...aber so schief?...Uuups...
Egal, nach der Show hatte ich einfach nur das Gefühl "Es ist vollbracht...der US SPEED/THRASH Underground ist in Deutschland angekommen..."
Nun folgten mit HEAVY PETTIN und WISHBONE ASH zwei (damals) völlig belanglose Bands und wir zogen umher um die Atmosphäre und die Flasche Rotwein (die wir für nen 5er durch den Zaun erworben hatten) aufzusaugen...
Mit den "Bailey Brothers" hatte der Veranstalter "Britains wildest Metal-DJ`s" verpflichtet...zwei Clowns die mit Pappgitarren auf der Bühne rumhampelten und SCORPIONS, ACDC und MAIDEN auflegten...autsch...das wäre sicher auch billiger gegangen.
Die "Metal Up Your Ass"-Shirts waren schon längst ausverkauft und so entschied ich mich notgedrungen für eines der grauenvollen Festivalshirts...was auch noch Folgen haben sollte...
Jetzt folgte erstmal Verwirrung...die "Hübschen Mädchen" waren noch nicht angekommen weil sie am selben Tag noch eine Show mit SAXON in England hatten...nach einer längeren Pause enterten dann WARLOCK unter großem Jubel die Bühne und gingen mit "Hellbound" auch gleich in die Vollen...die 15.000 Banger feierten die Band (und vor allem Doro) nach allen Regeln der Kunst ab. Auch ein gewisser James H. stand saufend am Bühnenrand und schmachtete das Blondchen ordentlich an...grandioser Gig der Düsseldorfer und rückblickend CoHeadlinerwürdig!
Langsam sickerte auch durch warum das große Polizeiaufgebot angetreten war...VENOM hatten mit Absage gedroht wenn METALLICA und nicht VENOM als Letztes auf die Bretter dürften...und die zahlreich angereisten "Legions" würden das Areal in Schutt und Asche legen...
NAZARETH konnten uns danach erstaunlicherweise auch begeistern...könnte aber auch am Wein und der allgemeinen Euphorie gelegen haben...
Hinter dem Schlagzeug wurde schon das METALLICA-Logo im "Creeping Death-Design" hochgezogen...VENOM hatten also auf dem Papier gesiegt, die Zeichen der Zeit aber nicht erkannt...die Bewegung die sie losgetreten hatten hatte schon längst ein anderes Level erreicht...aber dazu später mehr...
Und dann kamen doch noch die PRETTY MAIDS...keine Ahnung ob die mit Fallschirmen abgesprungen waren...jedenfalls stürmten sie zu einem 20 minütigem Triumphzug auf die Bühne..."Back To Back", "Shelly The Maid" ein monströser Mitsingteil bei "Red Hot And Heavy"...fertig...grandios...Wahnsinn!
Was nun folgte war und ist schlicht und ergreifend legendär...METALLICA: "Creeping Death", "Ride The Lightning",das übermächtige "Disposable Heroes" wurden gefeiert wie der Beginn einer neuen Zeitrechnung..."von Lied zu Lied steigerten sich Band und Fans in einen wahren Rausch" (WHIPLASH-Fanzine)...mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Doch, wenn ihr die Möglichkeit habt holt euch den "Disposable Heroes"-Boot! Es lohnt sich auch für Nichtzeitzeugen...authentischer kann ein Livemittschnitt kaum sein! ...die Clips von "The Four Horsemen", "Fade To Black" (!!) und "Seek & Destroy" auf "Cliff Èm All" lassen eh keine Fragen offen...
Tja, und nach all den Verzögerungen im Laufe des Tages mussten wir nun das Gelände verlassen...im Vorhandyzeitalter waren Treffpunkte und Zeiten halt noch bindend...zu den ersten Klängen von "Black Metal" (???), ordentlich Rauch und Feuer taumelten wir zum Ausgang...und nicht nur wir...Scharen von erschöpften Bangern glaubten nicht mehr an eine Steigerung...auch zahlreiche "Legionäre" waren darunter und zeigten ihren alten Göttern die kalte Schulter...
Die Erleichterung war groß, als wir unbeschadet, wenn auch etwas trunken, wieder ins elterliche Auto einstiegen...wir sollen auch kurz darauf in einen "engelsgleichen Schlaf" gefallen sein...
Am daraufolgenden Montag schlug ich natürlich mit breiter Brust und meinem neuen T-Shirt in der Schule auf und stolzierte zum Lehrerpult um meine Entschuldigung ("Allgemeines Unwohlsein") für den vergangenen Samstag zu überreichen...als ich mich wieder umdrehte stand da "METAL HAMMER FESTIVAL - 14.09.1985 - Loreley"...
...SHIT HAPPENS...