Wenn eine Band rund 20 Jahre nach "The Illusion" - eine der besten CDs, die im weiter gefaßten musikalischen Kontext von Queensryche entstanden ist, aber trotzdem einen eigenständigen Charakter aufweist - und rund 18 Jahre nach der zweiten sowie bis dahin letzten CD ("Bent") recht plötzlich eine neuen Tonträger veröffentlicht, dann ist Vorsicht geboten. So bin ich an "From Ashes To Wings" herangegangen. Das hätte nicht sein müssen. Zwar klingt das neue Werk bei weitem nicht so roh und ungestüm wie "The Illusion", aber es ist ein absoluter Burner geworden. Da geben sich - Psyco Drama typisch - geradezu gnadenlose, alle Disharmonien zerfetzende Refrains die Klinke in die Hand. Auf der ganzen CD ist nicht ein Ausfall. Es sind ausnahmslos wunderschöne, hochmelodische US-Metal-Songs, alle angereichert mit herrlichem Rhỵthmus-Riffing, dezenten aber offensichtlichen Prog-Elementen, perfekt inszenierten Solis und durchschlagendem Gesang. Auch der Synthesizer, eine typische Trademark von Psyco Drama, durchpflügt weiterhin auf eigentümliche Art und Weise konstant die Songlandschaften. Jedoch: Diese diabolische Grundstimmung von "The Illusion", also diese verstörende Erzeugung einer morbiden Grundstimmung inmitten schöner Harmomien, existiert nicht mehr, ist ausgemerzt. Insbesondere die stimmliche Veredelung aller Stücke raubt mir den Atem. Corey Brown klingt nicht mehr so, wie zu Zeiten von "The Illusion". Seine Tonlage hat sich doch stark verändert, die Stimme ist rauchiger, reifer geworden. Mit diesem Gesang und dem ganzen Drumherum könnten "Psyco Drama" auch als metallisch-angeproggte Edelausgabe von Journey beworben werden. Damit ist die Zielgruppe klar umrissen: Fans von US-Schmachtrock, Melodic Rock, Prog Metal und US-Metal können an dieser CD nicht unbeschadet vorbeigehen. Diese Scheibe ist übrigens null % Euro-Metal, aber 100 % US-Metal. So soll es sein. So liebe ich es. So muss es sein.
Kommen wir zur Kritik: Der Sound der CD wäre famos, wenn sich da nicht ein kleiner Fehler mit großen Auswirkungen in die Produktion eingeschlichen hätte. Irgendein minderbemittelter Verantwortlicher hat es doch tatsächlich fertiggebracht, ausgerechnet die in jeder Hinsicht genial gespielten Gitarren-Solis zu laut einzusteuern. Mir haut es die Ohren weg, sobald die Solis loslegen. Wer auch nur etwas lauter als in Zimmerlautstärke hört und seine Lauscher halbwegs beisammen hat, muss, sobald die Solis einsetzen, sofort runterpegeln. DAS IST FÜR MICH FAST SCHON EINE KATASTROPHE, WEIL DIE SONGS UND DIE SOLIS UND DIE RESTLICHE PRODUKTION EINFACH NUR ZU GEIL SIND.
Kleines Edit: In diversen Reviews wird der Sound der Scheibe generell kritisiert; sie klinge nach den 1990er Jahren und wie das Debüt, die Stimme sei zu leise etc.
Die Band hatte nach diesen ersten Reviews via Facebook mitgeteilt, dass die zur Bemusterung zur Verfügung gestellten Stücke nicht auf dem Endmix des Albums beruhen würden. Das scheint zu stimmen. Denn der in den Reviews kritisierte Sound liegt tatsächlich nicht auf der Kauf-CD vor. Der Sound ist, wie ich oben bereits schrieb, ziemlich gut. Nur die Gitarren-Solis sind zu laut.